Interview mit Präsident Daniel Bertoldo

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Interview mit Präsident Daniel Bertoldo

Im Gespräch mit den Bodensee Nachrichten nimmt Kantonalpräsident Daniel Bertoldo Stellung gegen die Reform der Verrechnungssteuer.


Herr Bertoldo, Finanzierungen für Schweizer Unternehmen könnten durch die Reform der Verrechnungssteuer günstiger werden. Ist dies nicht wünschenswert?
Im Grundsatz ist es das natürlich. Allerdings ist es nicht so einfach. Denn nicht alle Unternehmen profitieren tatsächlich von der Änderung. Profitieren werden die grossen Unternehmen und Konzerne. Für die KMU und das Gewerbe bringt diese Vorlage nichts, weil sich diese nicht über Obligationen finanzieren. Dabei sind gerade diese Betriebe entscheidend für unsere Gesellschaft. Sie schaffen Arbeitsplätze in den Regionen. Wenn überhaupt, müsste eine Vorlage ausgearbeitet werden, die diese Betriebe entlastet.


Durch die Verrechnungssteuer suchen viele Schweizer Unternehmen Finanzierungen im Ausland. Wäre es nicht besser, wenn das Geld hier in der Schweiz beschafft wird?
Ja, generell schon. Aber es ist nicht der einzige Punkt, den es zu beachten gilt. Bei den Obligationen werden Zinsen bezahlt, die dann auch wieder versteuert werden müssen. Solange diese entsprechend angegeben werden, profitiert der Bund und damit wir alle davon. Allerdings weisen Berechnungen darauf hin, dass ein Grossteil des Geldes ins Ausland abfliesst. Damit ist bei einem Ja zur Verrechnungssteuer-Vorlage mit einem Ausfall in Millionenhöhe zu rechnen.


Die Verrechnungssteuer benachteilige die Schweiz im internationalen Standortwettbewerb, ist vonseiten der Befürworter zu hören. Ist es nicht an der Zeit, diesen Standortnachteil aus der Welt zu schaffen?
In den letzten Jahren hat der Bund Steuererleichterungen bei Betrieben eingeführt. Die letzte Abstimmung zu diesem Thema betraf die Abschaffung der Stempelsteuer. Ich bin der Meinung, dass es nun an der Zeit ist, in anderen Bereichen über eine  eduktion der Steuern nachzudenken. Denn Aussen vor blieben bei einem Ja einmal mehr die Familien. Mit der aktuellen Steuervorlage, über die es abzustimmen gilt, wird der finanzielle Spielraum des Bundes für die Entlastung der Familien weiter verkleinert. Dabei wäre es zentral, endlich die Heiratsstrafe bei Steuern und AHV abzuschaffen. Dies wurde in den vergangenen Jahren aus Kostengründen immer wieder verschoben.

 

Die Befürworter der Vorlage sind der Meinung, dass durch die Reform Steuereinnahmen zurück in die Schweiz geholt werden, die Gegner rechnen mit Steuerausfällen. Welches Szenario würde durch die Annahme der Vorlage tatsächlich eintreten?
Ich denke, es kann nicht mit absoluter Sicherheit gesagt werden, welches Szenario eintritt. Allerdings ist zu befürchten, dass ein Steuerausfall in der Höhe von bis zu 800 Millionen Franken entsteht. Zu zahlen haben diesen Ausfall die Bürger dieses Landes,  die ihre Steuererklärung ehrlich ausfüllen. Mit der Abschaffung der Verrechnungssteuer ist die Versuchung gross, nicht alle zu deklarieren und damit Steuern zu sparen. Ich denke daher nicht, dass Steuereinnahmen zurück in die Schweiz geholt werden  können. Die Vorlage spricht davon, dass mit der Abschaffung der Verrechnungssteuer der Schweizer Wirtschaft geholfen wird. Fakt ist aber auch, dass mindestens 480 Millionen Franken direkt ins Ausland abfliessen. Daher lehne ich die Verrechnungssteuer-Vorlage ab.

 

Das Interview erschien am 8. September 2022 in den Bodensee Nachrichten: https://www.bodensee-nachrichten.ch/region-rorschach/detail/article/pro-und-kontra-zur-verrechnungssteuerreform-00216512/